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Ägypten "Wo das Volk putscht"

Veröffentlicht am 22.12.2013

.. ist es nicht schematisch stark vereinfacht, den ägyptischen Weg nach dem Vorhandensein eines demokratischen Oberflächenanstrichs zu bewerten?

Große Teile der Bevölkerung machten von ihrem Wahlrecht nach der Revolution keinen Gebrauch oder waren sowohl mit dem Wahlmodus als auch der Einschätzung der teilweise nicht einmal ansatzweise vorhandenen Wahlprogramme überfordert. Zum Teil wurden Wählerstimmen gekauft. Andere Wähler gelangten aus verschiedenen Gründen überhaupt nicht an die Wahlurnen oder folgten bei der Kandidatenwahl der Familienräson ihres Clans. Lediglich ein Viertel dieser vergleichsweise kleinen Wählerschaft entschied sich im ersten Wahlgang für den Präsidentschaftskandidaten Al Mursi.

Die Regierung repräsentierte somit keinesfalls den Mehrheitswillen der Gesamtbevölkerung und vermochte es nicht, jene vorrangig jugendlichen Gruppen politisch zu integrieren, welche als Initiatoren und Träger der Reformbewegung gelten.

Stattdessen ließ sie sich nicht davon abhalten, der gesellschaftlichen Entwicklung einen grundlegenden, weit über den demokratisch legitimierten Kontext hinausgehenden Paradigmenwechsel zu verordnen.

Während sich die soziale und wirtschaftliche Lage der Bevölkerung drastisch verschlechterte, waren keine greifbaren Lösungsansätze in Sicht. Vor dem Hintergrund des innen- und außenpolitischen Vertrauensschwundes drohte dem Land der wirtschaftliche und gesellschaftliche Kollaps.

Die Proteste mit der Forderung des Rücktritts Al Mursis waren somit ein demokratischer Überlebensreflex und Ausdruck des Bedürfnisses nach Weltoffenheit. Demonstrationen mit einer Beteiligung von 20-30 Millionen Menschen in den Rahmen der Semantik eines Militärputsches zu zwängen, greift deutlich zu kurz – selbst dann, wenn die Ziele der Demonstranten mit den Interessen des Militärs zusammenfielen.

Auch im Zuge der Revolution von 2011 griff das Militär in die Geschehnisse ein um dem erklärten Willen der Straße zu entsprechen, wenngleich damals niemand ernsthaft von einem Putsch sprach.
Anders als vor zwei Jahren, ging es jedoch jetzt nicht zuletzt um die Abwendung eines Bürgerkrieges in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land mit interreligiösem Spannungspotential.

Mit der Absetzung Al Mursis und der damit entstandenen Kluft zwischen Militär und Bruderschaft legte sich Al Sisi politisch fest. Angesichts der kompromisslosen Forderungen der Bruderschaft auf der einen Seite und den Erwartungen der Mehrheit der Bevölkerung auf der anderen Seite bleibt ihm nur wenig Spielraum für die zügige Herstellung öffentlicher Sicherheit. Somit ist eher damit zu rechnen, dass sich der politische und wirtschaftliche Einfluss des Militärs mit seinen Relikten aus den Zeiten von Nasser und Sadat festigen wird.

Politische Stabilität wird es jedoch erst dann geben können, wenn es gelingt, alle politischen Kräfte in die gesellschaftliche Gestaltung einzubinden und Reformen in Wirtschaft, Bildung und Verwaltung voranzutreiben. Insbesondere der schwierigen Herausforderung der Einbindung aller politischen Kräfte müssen sich Militärführung und Übergangsregierung stellen, um ihrem Handeln eine glaubhafte Rechtfertigung zu verleihen.

Die Entwicklungen in Ägypten zeigen einmal mehr, dass Demokratie mehr als ein Wahlgang nach westlichem Kochbuch mit etablierten Parteien ist.

An die Stelle klassischer Organisationsformen, treten zunehmend spontan akkumulierende virtuelle Interessengemeinschaften, welche als machtvolle Instrumente der politischen Meinungsbildung wirken. Daraus folgen neue, teilweise internationale Formen der politischen Partizipation, welche als zeitgemäße Möglichkeit gesellschaftlicher Mitbestimmung erkannt und integriert werden müssen.

Dirk Thormann

.. ist es nicht schematisch stark vereinfacht, den ägyptischen Weg nach dem Vorhandensein eines demokratischen Oberflächenanstrichs zu bewerten?

Große Teile der Bevölkerung machten von ihrem Wahlrecht nach der Revolution keinen Gebrauch oder waren sowohl mit dem Wahlmodus als auch der Einschätzung der teilweise nicht einmal ansatzweise vorhandenen Wahlprogramme überfordert. Zum Teil wurden Wählerstimmen gekauft. Andere Wähler gelangten aus verschiedenen Gründen überhaupt nicht an die Wahlurnen oder folgten bei der Kandidatenwahl der Familienräson ihres Clans. Lediglich ein Viertel dieser vergleichsweise kleinen Wählerschaft entschied sich im ersten Wahlgang für den Präsidentschaftskandidaten Al Mursi.

Die Regierung repräsentierte somit keinesfalls den Mehrheitswillen der Gesamtbevölkerung und vermochte es nicht, jene vorrangig jugendlichen Gruppen politisch zu integrieren, welche als Initiatoren und Träger der Reformbewegung gelten.

Stattdessen ließ sie sich nicht davon abhalten, der gesellschaftlichen Entwicklung einen grundlegenden, weit über den demokratisch legitimierten Kontext hinausgehenden Paradigmenwechsel zu verordnen.

Während sich die soziale und wirtschaftliche Lage der Bevölkerung drastisch verschlechterte, waren keine greifbaren Lösungsansätze in Sicht. Vor dem Hintergrund des innen- und außenpolitischen Vertrauensschwundes drohte dem Land der wirtschaftliche und gesellschaftliche Kollaps.

Die Proteste mit der Forderung des Rücktritts Al Mursis waren somit ein demokratischer Überlebensreflex und Ausdruck des Bedürfnisses nach Weltoffenheit. Demonstrationen mit einer Beteiligung von 20-30 Millionen Menschen in den Rahmen der Semantik eines Militärputsches zu zwängen, greift deutlich zu kurz – selbst dann, wenn die Ziele der Demonstranten mit den Interessen des Militärs zusammenfielen.

Auch im Zuge der Revolution von 2011 griff das Militär in die Geschehnisse ein um dem erklärten Willen der Straße zu entsprechen, wenngleich damals niemand ernsthaft von einem Putsch sprach.
Anders als vor zwei Jahren, ging es jedoch jetzt nicht zuletzt um die Abwendung eines Bürgerkrieges in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land mit interreligiösem Spannungspotential.

Mit der Absetzung Al Mursis und der damit entstandenen Kluft zwischen Militär und Bruderschaft legte sich Al Sisi politisch fest. Angesichts der kompromisslosen Forderungen der Bruderschaft auf der einen Seite und den Erwartungen der Mehrheit der Bevölkerung auf der anderen Seite bleibt ihm nur wenig Spielraum für die zügige Herstellung öffentlicher Sicherheit. Somit ist eher damit zu rechnen, dass sich der politische und wirtschaftliche Einfluss des Militärs mit seinen Relikten aus den Zeiten von Nasser und Sadat festigen wird.

Politische Stabilität wird es jedoch erst dann geben können, wenn es gelingt, alle politischen Kräfte in die gesellschaftliche Gestaltung einzubinden und Reformen in Wirtschaft, Bildung und Verwaltung voranzutreiben. Insbesondere der schwierigen Herausforderung der Einbindung aller politischen Kräfte müssen sich Militärführung und Übergangsregierung stellen, um ihrem Handeln eine glaubhafte Rechtfertigung zu verleihen.

Die Entwicklungen in Ägypten zeigen einmal mehr, dass Demokratie mehr als ein Wahlgang nach westlichem Kochbuch mit etablierten Parteien ist.

An die Stelle klassischer Organisationsformen, treten zunehmend spontan akkumulierende virtuelle Interessengemeinschaften, welche als machtvolle Instrumente der politischen Meinungsbildung wirken. Daraus folgen neue, teilweise internationale Formen der politischen Partizipation, welche als zeitgemäße Möglichkeit gesellschaftlicher Mitbestimmung erkannt und integriert werden müssen.

Dirk Thormann
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